CDU Stadtverband Eppelheim - Archiv der Jahre 2007 - 2017
 


 

 

 

 

 

 

 



Archiv

 

„Schwacher Euro – gut für Deutschland?“

Zur Monatsversammlung im März war unser Landtagsabgeordneter und frühere Finanzminister des Landes Baden-Württemberg, Gerhard Stratthaus MdL nach Eppelheim gekommen, um die deutsche Haltung zur Euro- und Verschuldungskrise darzustellen. Ganz bewusst beschrieb er die Meinung der interessierten Wahlbevölkerung und nicht nur die der Finanzindustrie und der Politik, da, wie Stratthaus meinte, in unserer Demokratie politische Entscheidungen auf lange Sicht nicht gegen den Wählerwillen durchgesetzt werden können.

Westdeutschland war spätestens seit Mitte der Sechziger Jahre des letzten Jahrhunderts die stärkste Wirtschaftsmacht Westeuropas, politisch aber hatte es weit weniger Einfluss als zum Beispiel Großbritannien und Frankreich. Durch die aktuelle Finanzkrise ist Deutschland - obwohl dies von der Politik nicht bewusst angestrebt wurde - politisch einflussreichsten Macht Europas geworden.

Der Euro war und ist auch ein politisches Projekt

Deutschland lag nach dem zweiten Weltkrieg, den Deutschland verschuldet hatte, am Boden. Nicht nur militärisch und wirtschaftlich sondern auch moralisch. Die Siegermächte waren sich einig, dass Deutschland nie mehr stark werden sollte, niemals in der Lage sein sollte, den Frieden in Europa zu gefährden. Es gab sogar die Absicht, Deutschland zu einem deindustrialisierten Agrarstaat zu entwickeln. Diese Idee wurde jedoch bald nicht mehr weiter verfolgt, auch weil sich Westeuropa nun durch die Sowjetunion bedroht fühlte und eine starke Bundesrepublik einen wichtigen Beitrag zur Abwehrkraft des Westens leisten konnte. Deutschland sollte sich wirtschaftlich wieder erholen, sollte aber kontrolliert und eingebunden werden in die Gemeinschaft der europäischen Staaten. Einige europäische Staaten gründeten deswegen die Montanunion, also die Gemeinschaft für Kohle und Stahl. Kohle- und Stahlindustrie galten damals als die wichtigsten Grundpfeiler der militärischen Rüstungsindustrie.

Auch bei der deutschen Wiedervereinigung im Jahre 1990, bei der die Befürchtung vor allem Englands und Frankreichs deutlich wurde, Deutschland könnte zu grossen wirtschaftlichen und politischen Einfluss in Europa erlangen, suchte man ein starkes Projekt zur Einbindung der Bundesrepublik in die europäische Staatengemeinschaft. Dieses Projekt war der Euro! Der Euro sollte Europa einigen - leider droht er heute Europa zu spalten. Aber auch aus ökonomischen Gründen müssen die europäischen Staaten enger zusammenarbeiten. Zurzeit entstehen weltweit ganz neue Machtstrukturen. China, Indien, Brasilien und andere Schwellenländer werden in einigen Jahren eine wirtschaftliche Bedeutung haben, gegen die die einzelnen - selbst die größeren - europäischen Staaten kaum noch einzeln ihre Interessen vertreten können. Europa muss deswegen eine gemeinsame Außen-, Sicherheits- und Außenwirtschaftspolitik organisieren. Europa sollte vor allem auf den Gebieten der Wirtschafts- und Finanzpolitik gemeinsame Ziele erarbeiten. Trotz allem wird es einen europäischen Einheitsstaat, also die Vereinigten Staaten von Europa, frühestens nach einigen Generationen geben.

Haben wir eine Eurokrise?

Der Euro hatte in den zehn Jahren seines Bestehens niedrigere Inflationsraten, als die Deutsche Mark je hatte. Auch der Wert des Euro im Verhältnis zu anderen wichtigen Währungen hat sich durchweg positiv entwickelt. Die Stärke einer Währung hängt letzten Endes davon ab, wie weit der hinter dem Geld stehende Staat (oder die Staaten) das durch das Geld garantierte Zahlungsversprechen nach Ansicht der Märkte garantieren kann. Dieses Vertrauen besteht gegenüber einzelnen Staaten, die den Euro eingeführt haben, nicht mehr, weil diese Länder sich in höchstem Masse verschuldet haben. Weil befürchtet wird, dass dieses Misstrauen auch gegenüber weniger verschuldeten Eurostaaten wachsen könnte, entsteht daraus tatsächlich die Gefahr einer Währungskrise. Bisher jedoch haben wir eine Staatschuldenkrise - keine Währungskrise!

Die Weltschuldenkrise und warum ist die Eurozone besonders betroffen?

Japan und die USA sind stärker verschuldet als die meisten Eurostaaten. Dennoch gibt es dort bisher keine Probleme der Haushaltsfinanzierung. Die Gläubiger des japanischen Staates sind zu 90% japanische institutionelle und private Investoren. Die USA haben mit ihrer Weltleitwährung Dollar immer noch das Vertrauen der internationalen Finanzmärkte. Darüber hinaus haben Japan und die USA mit ihren eigenen Währungen die Möglichkeit, längerfristig die Staatsschulden wegzuinflationieren. Im Unterschied dazu besteht die Eurozone aus 17 souveränen Staaten mit höchst unterschiedlichen Strukturen und unterschiedlichem Entwicklungstand der Wirtschaft. Vor allem die Wettbewerbsfähigkeit der einzelnen Eurostaaten liegt auf höchst unterschiedlichem Niveau. Vor der Einführung der gemeinsamen Währung konnten Unterschiede in der Preis-, Lohn- und Wettbewerbsfähigkeitsentwicklung der einzelnen Staaten durch Auf- und Abwertungen der Währungen ausgeglichen werden. Da diese Möglichkeit nicht mehr besteht, müssen unterschiedliche Entwicklungen der Wettbewerbsfähigkeit in die Realwirtschaft, durch Anpassungen bei Preisen und Einkommen geschehen. Das heisst, in Länder, deren Wettbewerbskraft sich schlechter entwickelt, dürfen Preis und Einkommen nur relativ langsam steigen oder müssen sogar sinken.

Genau das Gegenteil war aber in der Eurozone der Fall. Die heutigen Problemländer haben ihre Preise zwischen 1995 und 2008 um durchschnittlich 30% stärker steigen lassen als Deutschland. Eine gemeinsame Geldpolitik verträgt sich eben schlecht mit unterschiedlichen Wirtschafts-, Finanz-, Sozial- und Lohnpolitiken. Diese Gefahren wurden bereits bei der Einführung des Euro erkannt und sollten durch die Einführung der Maastrichtkriterien gelöst werden. Diese Kriterien hatten die Aufgabe, zu verhindern, dass sich ein Euroland trotz mangelnder Wettbewerbsfähigkeit durch überzogene Verschuldung einen privaten und öffentlichen Ausgabenstandart leistet, den es auf Dauer nicht finanzieren kann.

Die Maastrichtkriterien beschränkten den Schuldenstand auf höchstens 60% und die jährliche Neuverschuldung auf höchstens 3% des Bruttoinlandsproduktes. Darüber hinaus wurde vereinbart, dass kein Eurostaat für einen anderen einsteht, wenn dieser nicht mehr zahlungsfähig sein sollte. Wären diese Kriterien eingehalten worden, hätte die Finanzkrise im Euroraum nicht entstehen können. Leider hielten die betroffenen Staaten die Maastrichtkriterien nicht ein. Und nachdem auch Deutschland und Frankreich im Jahre 2003 die festgelegten Verschuldungsgrenzen überschritten hatten, waren die Kriterien fast wirkungslos geworden. Darüber hinaus wurde die Schuldenaufnahme der schwächeren Länder durch die Einführung des Euro erleichtert. Es gab für ausländische Investoren kein Währungsrisiko mehr, die Zinsen der schwächeren Länder näherten sich den Zinsen der stärkeren an und die Finanzmärkte waren überzeugt, dass im Ernstfall die starken Länder für die schwachen garantieren würden. Heute wissen wir, dass die Finanzmärkte richtig spekuliert haben! Einige Euroländer verschuldeten sich immer stärker. Sie akzeptierten hohe Einkommens- und Preissteigerungen und verloren dadurch jede Wettbewerbsfähigkeit. Als im Laufe der Finanzkrise die Investoren vorsichtiger und zurückhaltender wurden, galt auch der Zahlungsausfall eines Landes als nicht mehr ganz ausgeschlossen. Die schwachen Länder erhielten deswegen keine Finanzmittel mehr an den Finanzmärkten. Sie wären kollabiert, wenn nicht andere Euroländer für sie gebürgt hätten.

Was kann und muss geschehen?

Im Grunde gibt es drei denkbare Szenarien.

   - das Auseinanderfallen der Eurozone oder der Austritt einzelner Mitglieder

   - die Einrichtung einer Transferunion

   - der Versuch, die schwachen Länder zu sanieren und wieder wettbewerbsfähig zu machen

Das Auseinanderbrechen der Eurounion hätte schlimmste politische und wirtschaftliche Folgen. Die Wiedereinführung nationaler Währungen würde zu Auf- und Abwertungen führen und in vielen Fällen die Bedienung von Schulden unmöglich machen. Es entstünde eine Finanzkrise mit weit extremeren Folgen als die der Finanzkrise 2008 – 2010. Der Austritt eines kleinen Landes wäre möglicherweise verkraftbar. Es entstünde jedoch die Gefahr der Ansteckung, weil die Märkte aus dem Ausscheiden eines Landes folgern würden, dass auch andere Länder ausscheiden müssten und damit das Auseinanderfallen der gesamten Eurozone möglich würde. Allerdings wollte Stratthaus für Griechenland dieses Szenario nicht ausschließen. Wegen der weitaus stabileren Situation in den ehemaligen Krisenländern, sieht er hier eine geringe Gefahr der Ansteckung.

In einer Transferunion leisten die wirtschaftsstärkeren Länder regelmäßig hohe Zahlungen an die schwächeren Ländern, so wie man das in Deutschland als Finanzausgleich zwischen den Bundesländern kennt. Auf die Dauer werden die Steuerzahler der soliden Länder diese Transferleistungen nicht akzeptieren. Auch die Vergemeinschaftung der Schulden durch so genannte Eurobonds, also die gemeinsame Haftung aller für alle wird politisch nicht durchsetzbar sein.

Bleibt also als dritte Möglichkeit nur die Sanierung der schwachen Eurostaaten.

Sanierung - aber wie?

Kurzfristig muss die Zahlungs- und Kreditfähigkeit gesichert werden. Dies erfolgt bereits durch die so genannten Garantieschirme. Durch diese Garantien werden Paniken verhindert und Zeit gekauft. Es muss jedoch Klarheit darüber bestehen, dass sie Ursachen der Krise in keiner Weise dadurch beseitigt werden. Die Krisenlösung muss langfristig angestrebt werden. Mittelfristig wird die Verschuldung durch Schuldenschnitte, durch eine Schuldenbremse, mit Hilfe eines soliden Finanz- und Steuersystems sowie durch Anpassung der Rentenpolitik zurückgefahren. Entscheidend ist jedoch das Erreichen der Wettbewerbsfähigkeit. Dazu sind Reformen auf vielen Gebieten notwendig: Flexibilisierung der Arbeitsmärkte, Lohnzurückhaltung, Reduzierung der öffentlichen Verwaltung, Privatisierung von Staatsvermögen und der Aufbau konkurrenzfähiger Wirtschaftsstrukturen. Dies sind gewaltige Aufgaben, aber sie müssen gemeistert werden, wenn das Ziel erreicht werden soll. Deutschland stand vor einem Jahrzehnt vor Problemen, die den oben beschriebenen sehr ähnlich waren. Mit seiner Agenda 2010 hat Deutschland seine Aufgaben bewältigt.

Schwacher Euro – gut für Deutschland?

Die expansive Geldpolitik der EZB führt seit Monaten zu einem schwachen Euro. Dieser ist führt dazu, dass Exporte aus Deutschland wie aus den anderen Euroländern auf dem Weltmarkt günstig sind, und somit der schwache Euro dafür sorgen kann, dass die Wirtschaft im Euroraum wächst. Gerade Deutschland als exportstärkstes Land in Europa profitiert somit vom schwachen Euro.

Was muss in Europa geschehen?

Die Eurozone bedarf vor allem einer abgestimmten Finanz- und Wirtschaftspolitik. Die Garantieschirme helfen Zeit zu gewinnen, aber wenn die Bestimmungen der Fiskalunion und der Schuldenbremse nicht strikt eingehalten werden, verspielt die Eurozone ihre Chance. Man muss sich auch darüber im Klaren sein, dass diese Festlegungen nicht kurzfristig, sondern für lange Zeit eingehalten werden müssen.

Kann die Sanierung gelingen?

Trotz aller Rückschläge sind einige der schwächeren Länder auf einem guten Weg. Dennoch muss es als allerletzte Option auch das Ausscheiden einzelner Länder geben. Wenn die internationale Finanzwelt wieder in einer besseren Verfassung ist, wird dies auch ohne untragbare Verwerfungen vor sich gehen können.

Sicher ist: Europa muss weiterentwickelt werden. Europa ist mehr als der Euro. Die deutsche Politik weiss, dass wegen der deutschen Geschichte des zwanzigsten Jahrhunderts auf dem Land eine besondere Verpflichtung liegt und dass Deutschland wegen seiner Wirtschaftskraft eine besondere Verantwortung zu übernehmen hat.

Zum Abschluss bedankte sich der Vorsitzende der CDU Eppelheim, Volker Wiegand bei Gerhard Stratthaus und den Anwesenden für die engagierte Diskussion.


Volker Wiegand, Gerhard Stratthaus, MdB