Zur Monatsversammlung im März war unser Landtagsabgeordneter
und frühere Finanzminister des Landes Baden-Württemberg,
Gerhard Stratthaus MdL nach Eppelheim gekommen, um die
deutsche Haltung zur Euro- und Verschuldungskrise
darzustellen. Ganz bewusst beschrieb er die Meinung der
interessierten Wahlbevölkerung und nicht nur die der
Finanzindustrie und der Politik, da, wie Stratthaus meinte,
in unserer Demokratie politische Entscheidungen auf lange
Sicht nicht gegen den Wählerwillen durchgesetzt werden
können.
Westdeutschland war spätestens seit Mitte der Sechziger
Jahre des letzten Jahrhunderts die stärkste Wirtschaftsmacht
Westeuropas, politisch aber hatte es weit weniger Einfluss
als zum Beispiel Großbritannien und Frankreich. Durch die
aktuelle Finanzkrise ist Deutschland - obwohl dies von der
Politik nicht bewusst angestrebt wurde - politisch
einflussreichsten Macht Europas geworden.
Der Euro war und ist auch ein politisches Projekt
Deutschland lag nach dem zweiten Weltkrieg, den Deutschland
verschuldet hatte, am Boden. Nicht nur militärisch und
wirtschaftlich sondern auch moralisch. Die Siegermächte
waren sich einig, dass Deutschland nie mehr stark werden
sollte, niemals in der Lage sein sollte, den Frieden in
Europa zu gefährden. Es gab sogar die Absicht, Deutschland
zu einem deindustrialisierten Agrarstaat zu entwickeln.
Diese Idee wurde jedoch bald nicht mehr weiter verfolgt,
auch weil sich Westeuropa nun durch die Sowjetunion bedroht
fühlte und eine starke Bundesrepublik einen wichtigen
Beitrag zur Abwehrkraft des Westens leisten konnte.
Deutschland sollte sich wirtschaftlich wieder erholen,
sollte aber kontrolliert und eingebunden werden in die
Gemeinschaft der europäischen Staaten. Einige europäische
Staaten gründeten deswegen die Montanunion, also die
Gemeinschaft für Kohle und Stahl. Kohle- und Stahlindustrie
galten damals als die wichtigsten Grundpfeiler der
militärischen Rüstungsindustrie.
Auch bei der deutschen Wiedervereinigung im Jahre 1990, bei
der die Befürchtung vor allem Englands und Frankreichs
deutlich wurde, Deutschland könnte zu grossen
wirtschaftlichen und politischen Einfluss in Europa
erlangen, suchte man ein starkes Projekt zur Einbindung der
Bundesrepublik in die europäische Staatengemeinschaft.
Dieses Projekt war der Euro! Der Euro sollte Europa einigen
- leider droht er heute Europa zu spalten. Aber auch aus
ökonomischen Gründen müssen die europäischen Staaten enger
zusammenarbeiten. Zurzeit entstehen weltweit ganz neue
Machtstrukturen. China, Indien, Brasilien und andere
Schwellenländer werden in einigen Jahren eine
wirtschaftliche Bedeutung haben, gegen die die einzelnen -
selbst die größeren - europäischen Staaten kaum noch einzeln
ihre Interessen vertreten können. Europa muss deswegen eine
gemeinsame Außen-, Sicherheits- und Außenwirtschaftspolitik
organisieren. Europa sollte vor allem auf den Gebieten der
Wirtschafts- und Finanzpolitik gemeinsame Ziele erarbeiten.
Trotz allem wird es einen europäischen Einheitsstaat, also
die Vereinigten Staaten von Europa, frühestens nach einigen
Generationen geben.
Haben wir eine Eurokrise?
Der Euro hatte in den zehn Jahren seines Bestehens
niedrigere Inflationsraten, als die Deutsche Mark je hatte.
Auch der Wert des Euro im Verhältnis zu anderen wichtigen
Währungen hat sich durchweg positiv entwickelt. Die Stärke
einer Währung hängt letzten Endes davon ab, wie weit der
hinter dem Geld stehende Staat (oder die Staaten) das durch
das Geld garantierte Zahlungsversprechen nach Ansicht der
Märkte garantieren kann. Dieses Vertrauen besteht gegenüber
einzelnen Staaten, die den Euro eingeführt haben, nicht
mehr, weil diese Länder sich in höchstem Masse verschuldet
haben. Weil befürchtet wird, dass dieses Misstrauen auch
gegenüber weniger verschuldeten Eurostaaten wachsen könnte,
entsteht daraus tatsächlich die Gefahr einer Währungskrise.
Bisher jedoch haben wir eine Staatschuldenkrise - keine
Währungskrise!
Die Weltschuldenkrise und warum ist die Eurozone besonders
betroffen?
Japan und die USA sind stärker verschuldet als die meisten
Eurostaaten. Dennoch gibt es dort bisher keine Probleme der
Haushaltsfinanzierung. Die Gläubiger des japanischen Staates
sind zu 90% japanische institutionelle und private
Investoren. Die USA haben mit ihrer Weltleitwährung Dollar
immer noch das Vertrauen der internationalen Finanzmärkte.
Darüber hinaus haben Japan und die USA mit ihren eigenen
Währungen die Möglichkeit, längerfristig die Staatsschulden
wegzuinflationieren. Im Unterschied dazu besteht die
Eurozone aus 17 souveränen Staaten mit höchst
unterschiedlichen Strukturen und unterschiedlichem
Entwicklungstand der Wirtschaft. Vor allem die
Wettbewerbsfähigkeit der einzelnen Eurostaaten liegt auf
höchst unterschiedlichem Niveau. Vor der Einführung der
gemeinsamen Währung konnten Unterschiede in der Preis-,
Lohn- und Wettbewerbsfähigkeitsentwicklung der einzelnen
Staaten durch Auf- und Abwertungen der Währungen
ausgeglichen werden. Da diese Möglichkeit nicht mehr
besteht, müssen unterschiedliche Entwicklungen der
Wettbewerbsfähigkeit in die Realwirtschaft, durch
Anpassungen bei Preisen und Einkommen geschehen. Das heisst,
in Länder, deren Wettbewerbskraft sich schlechter
entwickelt, dürfen Preis und Einkommen nur relativ langsam
steigen oder müssen sogar sinken.
Genau das Gegenteil war aber in der Eurozone der Fall. Die
heutigen Problemländer haben ihre Preise zwischen 1995 und
2008 um durchschnittlich 30% stärker steigen lassen als
Deutschland. Eine gemeinsame Geldpolitik verträgt sich eben
schlecht mit unterschiedlichen Wirtschafts-, Finanz-,
Sozial- und Lohnpolitiken. Diese Gefahren wurden bereits bei
der Einführung des Euro erkannt und sollten durch die
Einführung der Maastrichtkriterien gelöst werden. Diese
Kriterien hatten die Aufgabe, zu verhindern, dass sich ein
Euroland trotz mangelnder Wettbewerbsfähigkeit durch
überzogene Verschuldung einen privaten und öffentlichen
Ausgabenstandart leistet, den es auf Dauer nicht finanzieren
kann.
Die Maastrichtkriterien beschränkten den Schuldenstand auf
höchstens 60% und die jährliche Neuverschuldung auf
höchstens 3% des Bruttoinlandsproduktes. Darüber hinaus
wurde vereinbart, dass kein Eurostaat für einen anderen
einsteht, wenn dieser nicht mehr zahlungsfähig sein sollte.
Wären diese Kriterien eingehalten worden, hätte die
Finanzkrise im Euroraum nicht entstehen können. Leider
hielten die betroffenen Staaten die Maastrichtkriterien
nicht ein. Und nachdem auch Deutschland und Frankreich im
Jahre 2003 die festgelegten Verschuldungsgrenzen
überschritten hatten, waren die Kriterien fast wirkungslos
geworden. Darüber hinaus wurde die Schuldenaufnahme der
schwächeren Länder durch die Einführung des Euro
erleichtert. Es gab für ausländische Investoren kein
Währungsrisiko mehr, die Zinsen der schwächeren Länder
näherten sich den Zinsen der stärkeren an und die
Finanzmärkte waren überzeugt, dass im Ernstfall die starken
Länder für die schwachen garantieren würden. Heute wissen
wir, dass die Finanzmärkte richtig spekuliert haben! Einige
Euroländer verschuldeten sich immer stärker. Sie
akzeptierten hohe Einkommens- und Preissteigerungen und
verloren dadurch jede Wettbewerbsfähigkeit. Als im Laufe der
Finanzkrise die Investoren vorsichtiger und zurückhaltender
wurden, galt auch der Zahlungsausfall eines Landes als nicht
mehr ganz ausgeschlossen. Die schwachen Länder erhielten
deswegen keine Finanzmittel mehr an den Finanzmärkten. Sie
wären kollabiert, wenn nicht andere Euroländer für sie
gebürgt hätten.
Was kann und muss geschehen?
Im Grunde gibt es drei denkbare Szenarien.
- das Auseinanderfallen der Eurozone oder der Austritt
einzelner Mitglieder
- die Einrichtung einer Transferunion
- der Versuch, die schwachen Länder zu sanieren und wieder
wettbewerbsfähig zu machen
Das Auseinanderbrechen der Eurounion hätte schlimmste
politische und wirtschaftliche Folgen. Die Wiedereinführung
nationaler Währungen würde zu Auf- und Abwertungen führen
und in vielen Fällen die Bedienung von Schulden unmöglich
machen. Es entstünde eine Finanzkrise mit weit extremeren
Folgen als die der Finanzkrise 2008 – 2010. Der Austritt
eines kleinen Landes wäre möglicherweise verkraftbar. Es
entstünde jedoch die Gefahr der Ansteckung, weil die Märkte
aus dem Ausscheiden eines Landes folgern würden, dass auch
andere Länder ausscheiden müssten und damit das
Auseinanderfallen der gesamten Eurozone möglich würde.
Allerdings wollte Stratthaus für Griechenland dieses
Szenario nicht ausschließen. Wegen der weitaus stabileren
Situation in den ehemaligen Krisenländern, sieht er hier
eine geringe Gefahr der Ansteckung.
In einer Transferunion leisten die wirtschaftsstärkeren
Länder regelmäßig hohe Zahlungen an die schwächeren Ländern,
so wie man das in Deutschland als Finanzausgleich zwischen
den Bundesländern kennt. Auf die Dauer werden die
Steuerzahler der soliden Länder diese Transferleistungen
nicht akzeptieren. Auch die Vergemeinschaftung der Schulden
durch so genannte Eurobonds, also die gemeinsame Haftung
aller für alle wird politisch nicht durchsetzbar sein.
Bleibt also als dritte Möglichkeit nur die Sanierung der
schwachen Eurostaaten.
Sanierung - aber wie?
Kurzfristig muss die Zahlungs- und Kreditfähigkeit gesichert
werden. Dies erfolgt bereits durch die so genannten
Garantieschirme. Durch diese Garantien werden Paniken
verhindert und Zeit gekauft. Es muss jedoch Klarheit darüber
bestehen, dass sie Ursachen der Krise in keiner Weise
dadurch beseitigt werden. Die Krisenlösung muss langfristig
angestrebt werden. Mittelfristig wird die Verschuldung durch
Schuldenschnitte, durch eine Schuldenbremse, mit Hilfe eines
soliden Finanz- und Steuersystems sowie durch Anpassung der
Rentenpolitik zurückgefahren. Entscheidend ist jedoch das
Erreichen der Wettbewerbsfähigkeit. Dazu sind Reformen auf
vielen Gebieten notwendig: Flexibilisierung der
Arbeitsmärkte, Lohnzurückhaltung, Reduzierung der
öffentlichen Verwaltung, Privatisierung von Staatsvermögen
und der Aufbau konkurrenzfähiger Wirtschaftsstrukturen. Dies
sind gewaltige Aufgaben, aber sie müssen gemeistert werden,
wenn das Ziel erreicht werden soll. Deutschland stand vor
einem Jahrzehnt vor Problemen, die den oben beschriebenen
sehr ähnlich waren. Mit seiner Agenda 2010 hat Deutschland
seine Aufgaben bewältigt.
Schwacher Euro – gut für Deutschland?
Die expansive Geldpolitik der EZB führt seit Monaten zu
einem schwachen Euro. Dieser ist führt dazu, dass Exporte
aus Deutschland wie aus den anderen Euroländern auf dem
Weltmarkt günstig sind, und somit der schwache Euro dafür
sorgen kann, dass die Wirtschaft im Euroraum wächst. Gerade
Deutschland als exportstärkstes Land in Europa profitiert
somit vom schwachen Euro.
Was muss in Europa geschehen?
Die Eurozone bedarf vor allem einer abgestimmten Finanz- und
Wirtschaftspolitik. Die Garantieschirme helfen Zeit zu
gewinnen, aber wenn die Bestimmungen der Fiskalunion und der
Schuldenbremse nicht strikt eingehalten werden, verspielt
die Eurozone ihre Chance. Man muss sich auch darüber im
Klaren sein, dass diese Festlegungen nicht kurzfristig,
sondern für lange Zeit eingehalten werden müssen.
Kann die Sanierung gelingen?
Trotz aller Rückschläge sind einige der schwächeren Länder
auf einem guten Weg. Dennoch muss es als allerletzte Option
auch das Ausscheiden einzelner Länder geben. Wenn die
internationale Finanzwelt wieder in einer besseren
Verfassung ist, wird dies auch ohne untragbare Verwerfungen
vor sich gehen können.
Sicher ist: Europa muss weiterentwickelt werden. Europa ist
mehr als der Euro. Die deutsche Politik weiss, dass wegen
der deutschen Geschichte des zwanzigsten Jahrhunderts auf
dem Land eine besondere Verpflichtung liegt und dass
Deutschland wegen seiner Wirtschaftskraft eine besondere
Verantwortung zu übernehmen hat.
Zum Abschluss bedankte sich der Vorsitzende der CDU
Eppelheim, Volker Wiegand bei Gerhard Stratthaus und den
Anwesenden für die engagierte Diskussion.
Volker Wiegand, Gerhard Stratthaus, MdB
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